Sonntag, 27. Januar 2019

Weltweite Gebetswoche für die Einheit der Christen


In der dritten Woche meines Aufenthaltes fand die weltweite Gebetswoche für die Einheit der Christen statt. Dies war für mich eine gute Gelegenheit, in kürzester Zeit möglichst viele verschiedenen Konfessionen und Kirchen in der Jerusalemer Altstadt kennen zu lernen und zu beobachten, wie das Zusammenleben der Christenheit in Jerusalem funktioniert.
Die Grabeskirche ist ein verbindender Ort für alle Christen

Gespräche nach dem anglikanischen Gottesdienst


Dichte Atmosphäre in der armenische St. Jameskirche

Lateinische Gesänge / Kath. San Salvadore

Abendmahlssaal / Andacht mit den Benedektinern

Der Kreuzgang der Ev. Erlöserkirche führt zum
Empfang der Gemeinde mit Brot und Wein


Gebetswochenabschluß in der Melkitischen Kirche









Die meisten Gottesdienste dieser Woche sind sehr traditionell gehalten, was mir hier sehr gut gefällt. So lernt man den Ritus und die Spiritualität der Glaubensgeschwister kennen. Vieles ist für mich fremd wie z.B. die Feier in der dunklen und sehr reich ausgeschmückten armenischen St. James-Kirche, die dem Heiligen Jakobus geweiht ist. Die griechisch-orthodoxe Kirche zelebriert in der 
Grabeskirche an der Golgathastätte quasi für sich unter Beobachtung der Gäste den Gottesdienst, hier besteht keine Beteiligungsmöglichkeit. Die 
anglikanische Kirche feiert ihre Gottesdienste sehr hochliturgisch mit Weihrauch. Aber auch in der Ev. Erlöserkirche wirkt es beeindruckend, wenn die versammelte Theologenschaft der deutsch-, arabisch- und englischsprachigen lutherischen Gemeinden, was immerhin ein gutes Dutzend umfasst, im Talar einzieht. Die Benedektiner der Dormitio Abbey halten im Abendmahlssaal eine eher schlichte Andacht.
Bei den Kopten wurde sehr orientalisch gesungen. 
Bei den Äthopier mussten die Schuhe ausgezogen werden.
Die Melkiten als katholische Rituskirche feiern ihren Gottesdienst mit der byzantinischen Liturgie. 

Man merkt, dass Jerusalem auch eine Stadt ist, in der repräsentiert wird. Von den jeweils 200 Besuchern der Gottesdienste kommen gefühlt die Hälfte in Amtstracht, mit Colarhemd und die Nonnen und Mönche natürlich im Habit, sei es Tracht oder Kutte. Das macht schon alles was her. Umso schöner ist es dann nach sehr würdevollen Gottesdiensten einander auch bei den anschließenden Empfängen persönlich und in gelöster Atmosphäre zu begegnen. Ohne diese Begegnung würde etwas fehlen. Ich habe den Eindruck, man kennt sich hier. Es wird gelacht, geredet und einander kennen gelernt. Für mich eine wahres Paradies für neue oder vertiefende Begegnungen zu 
Beginn meines 
Studiensemesters.
Ich finde es ermutigend, welche gottesdienstliche und menschliche Vielfalt ich erleben darf. Diese Vielfalt ist so gelebt, wie ich es hier vorfinde, kein Gegensatz zur Einheit, sondern im Gegenteil ein wahrer Schatz. 
Sie spiegelt die Vielfalt der Menschheit und des göttlichen Wesens wieder. Jerusalem ist berühmt dafür, dass sich die die Grabeskirche teilenden Konfessionen bisweilen heftig um scheinbare Nebensächlichkeiten streiten können. Das ist sicher auch so. Diese Gebetswoche zeigt mir aber auch das andere Gesicht der Christenheit in dieser Stadt: Hier wird bei aller offensichtlichen liturgischen Verschiedenheit zusammen gebetet, gefeiert und gelebt.

Die Gebetswoche findet in dieser Form schon seit Jahrzehnten so statt, teilt mir ein Gemeindeglied der Ev. Erlöserkirche mit, das seit über 40 Jahren in Jerusalem lebt. Der evangelische Probst, Wolfgang Schmidt, verrät mir, dass es ein Freundeskreis der Ökumene ist, der sich auf einer informellen und freiwilligen Basis mehrmals im Jahr trifft. Wieder einmal kann ich sehen, wie enorm wichtig persönliche Begegnungen sind. Hinzu kommt aber in der Gebetswoche ein anderes Element: Gute Gewohnheiten und verlässliche Strukturen. Zwischen 150 und 200 Personen kommen jeweils an acht Abenden zusammen, um gemeinsam zu beten. Jeder Gottesdienst wird von einer Konfessionsfamilie vorbereitet, beteiligt sind dann aber auch bei Lesungen, Gebeten und Segnungen, Beteiligte aus anderen Kirchen, Liturgiker wie Laien. Im Normalfall ist dies bei der Fülle von eigentlich zu treffenden Absprachen ein sehr zeitaufwändiger Vorgang. Weil es aber eine bewährte und bekannte Form gibt, geschieht manches dann auch einfach auf Zuruf und ohne viel Vorbereitung. So wird der Segen in manchen Gottesdiensten gleich mehrmals und in verschiedenen Sprachen von den gerade an diesen Tag anwesenden höchsten Würdeträgern gesprochen. Auch sonst werden die Geschwister der anderen Konfessionsfamilien schon mal gerne mit in die Gottesdienstgestaltung einbezogen, so beim Sprenkeln mit Wasser zur Tauferinnerung im katholischen Gottesdienst, was manchen, die dies aus ihrer Tradition nicht kennen, spürbar Freude bereitet.

Thematisch ging es bei der Bibelwoche, die von indonesischen Christen vorbereitet wurde, um das Thema Gerechtigkeit. „Der Gerechtigkeit und nur der Gerechtigkeit sollst du nachjagen“, ist der Leitbibelvers aus 5. Mose 16, 20. Vielleicht ist das auch eine gute Grundlage für Einheit, dass man über Themen redet, die verbinden und sich für die Gerechtigkeit einsetzt, nach der es sich immer zu streben lohnt.

Die Bischöfe und Repräsentanten aus der Nachbarschaft
überbringen Weihnachtsgrüße an den armenischen Patriarchen
Ein sich durchziehendes Element der meisten Gottesdienste ist der Friedensgruß "Gottes Friede sei mit Dir", der meist kurz vor dem Segen den umherstehende weiter gegeben wird. Dies scheint mir ein wesentliches Element zu sein: (Gottes) Frieden, der über alle Vernunft und ohne Grund einander zugesprochen wird, kann vielleicht wirklich Frieden stiften. Worte haben gestaltende Macht. Wer sich Frieden wünscht und den Frieden zugesprochen bekommt, der wird in diesem Sinne zum Frieden hin verändert und geführt. 

In diesem Sinne wünsche ich am Ende der dritten Woche meines Studienaufenthaltes, die natürlich noch vieles anderes beinhaltet hat,
allen Lesenden Schalom, Salam, Friede sei mir Dir!
Dein und Euer Christian
BCU, 27.01.2019 (Nebenbei der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust)



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