Donnerstag, 28. März 2019

Gemeinsam unter einem Dach - Eine Nacht in der Grabeskirche

Schließungszeremonie in der Grabeskirche
Der harte Klang des metallenen Türklopfers klingt durch die Grabeskirche in Jerusalem und fordert die Besucherinnen und Besucher auf, diese nun bitte zu verlassen. Ich bleibe. Zusammen mit zehn weiteren nächtlichen Gästen sowie den Priestern und Diakonen, die jede Nacht in der Grabeskirche beten, werde ich von der Schließung der Kirche um 19.00 Uhr bis zur Öffnung um 4.00 Uhr in der Frühe Zeit zum Gebet haben. Und Zeit zur Stille. Dachte ich zumindest. Doch dazu später mehr.

Die Grabeskirche, die nach alter Tradition unter einem Dach heute die Kreuzigungsstätte Golgatha und mit dem Grab den Ort der Beisetzung Jesu vereint, gilt vielen Christen als heiligster Ort ihres Glaubens. Zur Zeit Jesu vor den Stadtmauern Jerusalems gelegen erfolgte an dieser Stelle die Auferstehung Jesu. Deshalb wird sie auch in der Orthodoxen Christenheit Anastasis (= Auferstehung) genannt. Am Grab verwandelte sich Trauer in unfassbares Staunen, das zur Freude werden sollte. Eine Auferstehungsfreude, die Menschen seit 2000 Jahren neue Kraft und Lebensmut gibt.



Grundriss, Quelle Wikipedia (s.u.)
Zusammen mit zwei Pfarrkollegen, einer Studentin der Theologie und einer Schülerin bin ich auf Einladung der armenischen Kirche in dieser Nacht in der Grabeskirche. Vier armenische Priester und Diakone werden in dieser Nacht Dienst haben und um 23.30 und um 3.30 Uhr zusammen mit uns Gottesdienst feiern.

Vor meinen persönlichen Erfahrungen einige Worte, an was für einen Ort wir in diesem Blog gelandet sind:
Insgesamt sechs Konfessionen verwalten die Holy Sepulchre, wie sie in Jerusalem zumeist genannt und ausgeschildert wird
Querriss, Quelle Wikipedia (s.u.)
Neben den armenischen Christen sind es federführend die griechisch-orthodoxen und die römisch-katholischen, vertreten durch die Franziskaner, die auch in der Nacht zum Gebet dort wachen. Im 19. Jahrhundert kamen die Koptische Kirche Ägyptens, die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien und die Orthodoxe Tewahedo-Kirche der Äthiopier dazu. Diese Kirchen erhielten nur wenige Kapellen zugestanden, und die Äthiopier sind sogar auf das baufällige Deir-al-Sultan-Kloster auf dem Dach beschränkt. Evangelische Glaubensrichtungen sind in der Kirche nicht präsent. Die Deutsche EKD-Auslandsgemeinde hat aber zusammen mit arabisch- und englischsprachigen Lutheraner mit der Church of the redeemer / Erlöserkirche in unmittelbarer Nähe eine wunderschöne Kirche, in der ich viel in den letzten Wochen am Gemeindeleben teilgenommen habe. 

Die Grabeskirche wurde nach 325. Chr. von Helena, der Mutter des byzantinischen Kaisers Konstantin, errichtet. Diese fromme und zum Christentum bekehrte Frau hatte in Jerusalem die Stätten von Tod und Auferstehung Jesu Christi unter einem römischen Tempel der Venus aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. aufgespürt, der wohl zu dem Zweck errichtet war, den zuvor von Christen seit dem 1. Jahrhundert verehrten Ort aus dem Gedächtnis auszulöschen. Helena erweckte die Erinnerung an den Ort, was der Kirchengeschichtler Eusebius mit der Auferstehung Jesu als erneutes Wiederaufleben verglich. Im Verlauf des Byzantinischen Zeitalters und zur Zeit der Kreuzfahrer wurde sie wiederholt zerstört und wiederaufgebaut. Ihr gegenwärtiges Aussehen erhielt sie zur Zeit der Kreuzfahrer. Sie waren die ersten, welche die Stätten der Kreuzigung und des Begräbnisses unter einem Dach vereinten, so wie es noch heute ist. Die 800 Jahre alte Eingangsfassade der Kreuzfahrer ist prunkvoll verziert. Am Eingang stehen zwei massive Holztore, von denen eines seit der Herrschaft Saladins im 12. Jahrhundert verriegelt ist. Durch die vielen Zerstörungen und Umbauten ist vieles ursprüngliche verloren gegangen. Unter Wissenschaftlern gilt der Ort jedoch als der, der Golgatha und dem Grab am nächsten kommen, auch wenn es mit dem nahen Gartengrab eine alternative Stätte gibt, die atmosphärisch näher an der biblischen Beschreibung wäre.

Legendär sind die in der Vergangenheit heftig geführten Meinungsverschiedenheiten über die Ansprüche der verschiedenen Denominationen in der Kirche. Die Schlüssel zur Kirche werden deshalb von der moslemischen Familie Joudeh verwahrt. Das zweite Holztor, das heute Zutritt gewährt, wird jeden Tag durch einen Vertreter der moslemischen Familie Nusseibeh geöffnet und geschlossen. Dieser Brauch gehört zum gegenwärtigen „Status quo“ der Grabeskirche aus dem Jahr 1852, der auf die damalige moslemische Herrschaft in der Stadt und bis auf die Tage Saladins zurück geht. Die israelischen Behörden beließen diese festgesetzte Aufteilung des status quo, nachdem die Altstadt nach dem Sechstagekrieg 1967 unter ihre Verwaltung gekommen war.


Die Leiter wird hereingereicht
Noch einmal wird der metallene Türklopfer betätigt. Die letzten Betenden verlassen die Kirche. Einige israelische Polizistinnen und Polizisten schauen wie jeden Abend nach dem Rechten und erkundigen sich bei den anwesenden Priestern wie viele Menschen in der Kirche bleiben. Es ist eine freundliche Atmosphäre, man scheint sich zu kennen. Auch das gehört zum Alltag in diesem Land und dieser Stadt.


Dann schließen sich die Tore und werden von außen verriegelt. Da sich der Riegel recht hoch an der Tür befindet, wird dazu eine Leiter benötigt, die nach der Verriegelung durch eine Luke in die Kirche hineingereicht wird. Nachdem auch diese und die Tür von Innen verschlossen ist, verteilen sich alle an der Tür wartenden Gäste und Diensthabenden in der Kirche.
Es folgt eine Zeit des Aufräumens und des Reinigens. Vor der armenischen Sakristei, an dem Ort an dem Maria in Ohnmacht gefallen sein soll, kratzt ein armenischer Diakon Wachsreste vom Boden. Auch wir als Gäste der armenischen Kirche werden gefragt, ob wir helfen wollen. Wir wollen selbstverständlich und bekommen Besen und Kehrblech gereicht und beginnen, den Boden zu fegen, über den am Tag Tausende von Besucherinnen und Besucher gegangen sind.


Die Reinigung der Kirche ist ein schönes Sinnbild für die Reinigung der Seele, erzählt uns Father Vazgen, der für uns zuständige Priester. Zwischendurch ruft er uns ins heilige Grab, in dem einer der Diakone gleichzeitig die Dochte der armenischen Kerzen erneuert und die Lampen mit neuem Öl füllt, eine aufwändige Angelegenheit, denn die unter der Decke hängenden Lampen müssen dazu heruntergelassen werden. Hier ist alles präzise und paritätisch unter den armenischen, griechisch-orthodoxen und römisch-katholischen Traditionen, die hier hier zelebrieren aufgeteilt. Alle haben die gleich Anzahl an Kerzen, in jedem der drei Bereiche steht ein Blumenstrauß.
Die Grabeskapelle, auch Ädikula genannt, ist eine aus Stein und Holz gebaute etwa 300 Jahre alte Kapelle über dem Grab. Sie liegt direkt unterhalb des Doms, der Rotunde, durch deren rundes Fenster normalerweise das Tageslicht eindringt.

Das Licht der nun neu in der Kapelle hergerichteten Lampen in der Grabeskapelle erinnert an ein Wunder, erzählt uns der armenische Geistliche vor dem Grabstein Jesu stehend. Vor Jahrhunderten erlebte ein Eremit nach sieben Jahren Gebet, dass sich vor seinen Augen von selbst Kerzen am Grab entzündeten. Seitdem geschehe dieses Wunder jedes Jahr auf neue am Karsamstag. Ich bin neugierig und lese später nach und entdecke eine uralte Tradition, von der ich zu meinem Erstaunen noch nie etwas gehört habe. Ausführlich beschreibt Niels Christian Hvidt, ein aus Dänemark stammende Professor der Theologie und Gesundheitswissenschaften, die Hintergründe in einem Bericht, von dem ich hier nur einen Auszug zitiere: „Das Wunder lässt sich durch die Jahrhunderte in den vielen Reiseberichten des Heiligen Landes verfolgen. Der russische Priester Daniel beschreibt das "Wunder des heiligen Feuers" und die es umrahmenden Zeremoniensehr detailliert in seiner Reisebeschreibung aus den Jahren 1106/07. Er erinnert sich darin, wie der Patriarch die Grabeskapelle (Anastasis) mit zwei nicht brennenden Kerzen betritt. Er kniet vor dem Stein auf den Christus nach seinem Tode aufgebahrt wurde und sagt bestimmte Gebete, worauf das Wunder geschieht. Licht geht aus dem Inneren des Steines hervor - ein blaues, undefinierbares Licht, dass nach einiger Zeit Öllampen, sowie die zwei Kerzen des Patriarchen entzündet. Das Licht ist "das Heilige Feuer" und breitet sich zu allen Menschen, die sich in der Kirche aufhalten, aus. Die Zeremonie um "Das Wunder des Heiligen Feuers" ist wohl die älteste, unverändert praktizierte christliche Zeremonie in der Welt.“ Weiteres, auch ein Interview mit dem 1998 amtierenden und das Licht empfangenden griechisch-orthodoxen Patriarchen Diodorus I., findet sich auf der Internetseite, der ich diesen Auszug entnommen habe (holyfire.org).
Die Grabeskapelle
Es ist schon etwas unwirklich, so viel Zeit am Grab und in der kleinen Angeluskapelle vor dem Grab (Angelus, weil dort die Engel den Frauen und Petrus erschienen) zu verbringen. Besucherinnen und Besucher müssen sonst bis zu mehreren Stunden unter dem wunderschönen Rund der Rotunde anstehen, um nur eine Minute am Grabstein zu verbringen. Wir dagegen stehen hier in Ruhe und reden miteinander, während der Diakon sich um die Kerzen kümmert.
Dabei erzählt uns Father Vazgen zum Bespiel, dass bei der Renovierung der Kapelle im Jahr 2016 der marmorne Grabstein abgenommen und geschaut wurde, was sich darunter befindet. Dabei wurden auch Messungen vorgenommen und festgestellt, dass es an diesem Ort elektrische oder magnetische Schwingungen gab, die man sich dort nicht erklären kann. Für mich als evangelischen Christen ist diese Welt fremd. Ich höre mit großem Interesse zu und lasse aber mich gerne darauf ein.
Unser Gesprächspartner nimmt sich viel Zeit für uns, das ist an diesem Abend unerwartet und ein sehr schönes Erlebnis. So erfahren wir etwas über die 1700 Jahre lange Präsenz der armenischen Kirche in Jerusalem, über das Wesen des Menschen, der sich allzu häufig weit entfernt von seiner Bestimmung befindet (Zitat: Als ob der Autopilot eines Flugzeuges defekt wäre), über Wunder durch die Kraft des Glaubens am Grab Jesu und reden auch über das Zusammenspiel der Konfessionsfamilien, die sich die Grabeskirche teilen. Ein nicht immer einfaches Unterfangen, weil jede Gemeinschaft sich entfalten und nicht zurück stellen möchte, erfahren wir. Und er muss es wissen. Seit 20 Jahren verbringt er 11 von 12 Monate im Jahr jede Nacht in der Kirche. „Was eint die Christen an diesem Ort“, frage ich. Father Vazgen verweist mit einer Handbewegung und einem Lächeln auf das Grab Jesu. Jahrzehntelang konnte man sich nicht über eine Renovierung einigen. Zwar auf Druck jüdischer Offizieller, weil sonst die Grabeskapelle wegen Baufälligkeit geschlossen werden müsste, aber dann doch in Einheit ist es schließlich gelungen. Die Einigung im Rahmen der Sanierung ist sinnbildlich für die Einheit der Christenheit. Tod und Auferstehung Jesu stehen im Mittelpunkt des christlichen Glaubens. Wenn es darauf ankommt, sind sie das Fundament des gemeinsamen christlichen Glaubens. Im Gespräch macht unser Gesprächspartner deutlich, wie er sich persönlich noch mehr sichtbare Einheit für die Zukunft wünschen würde, zum Beispiel durch gemeinsame Gebete. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass sich in diesem Land alle Frieden wünschen. Wie unzählige Male habe ich von Gesprächspartner an der Basis Offenheit für eine gute, gemeinsame Zukunft und den Willen zum gemeinsamen Leben wahrgenommen, egal ob politischer oder religiöser Natur. Es ist wohl nur schwer, wenn man sich in Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte alten Strukturen und Festlegungen befindet.

Golgatha - Die Schädelstätte (hell beleuchtet der Felsen)

Nach die intensivste Zeit in dieser Nacht werden. Ich sitze lange am Golgathafelsen, der gleich vom Eingang der Kirche über eine steile Treppe zu erreichen ist, in deren unebenen Stufen sich Millionen von Pilgertritte eingegraben haben. Auch anderen Stellen gebe ich Gelegenheit, auf mich zu wirken. In der Stille lasse ich meine Gedanken freien Raum, die so persönlich sind, dass ich sie hier nicht teilen kann und werde. Nur so viel sei gesagt: Ohne Touristen- und Pilgerströme wirkt der Ort ganz anders auf mich. 
Ich kann und will mich auch gar nicht dem Sog des Heiligen und geschichtsträchtigen Platzes entziehen, fange Worte auf, die mir in den Sinn kommenschreibe Gedanken auf.
Der Salbungsstein im Eingang der Kirche
Jenseits der Ablenkung des Alltags verdichtet sich hier mein Sinnen und Denken. Im Bewusstsein der Ereignisse, die hier vermutlich stattgefunden haben (und sei es auch nur in der Nähe dieser Stätte), bekomme ich einen ganz anderen Zugang zur Passions- und Auferstehungsgeschichte. Ich habe das Gefühl, dass Jesus neben mir sitzt. In mir spricht. Mit mir schweigt. Während ich sonst in unterschiedlichen Rollen z.B. als Studierender oder Reisender im Lande unterwegs bin, bin ich hier ganz Pilger.
Es ist nicht nur der Ort, der dies bewirkt. Es ist die qualitativ erlebbare Zeit, die vielleicht das wertvollste Geschenk des Lebens ist. In der Nacht spielt vieles keine Rolle mehr. Mein Leben als Pfarrer einer Kirchengemeinde ist so viel vom Alltag gefüllt, dass ich solche Momente viel zu selten erlebe. In den letzten drei Monaten war dies immer wieder möglich, über mein Erleben mit dem Shabbat habe ich ja bereits berichtet. In dieser Nacht erlebe ich erneut ein Hinausgenommensein aus Zeit und Raum. „Hier bin ich Mensch, hier kann ich sein“, dichtet Goethe in seinem Gedicht Osterspaziergang im Faust in Blick auf die Natur und den erwachenden Frühling. In dieser Nacht umgeben mich Steine und Geschichte, das Erlebnis ist aber vergleichbar, wenn auch in einem ganzen anderen Umfeld. Hier bin ich Mensch, hier kann ich sein. Oder: "Hier ist gut sein", wie es Petrus auf dem Berg der Verklärung ausdrückt.

Eine halbe Stunde vor Mitternacht fangen die drei Konfessionen an ihre Mitternachtsliturgien zu feiern. Als Vorbereitung gehen Vertreter mit Weihrauchschwenkern zu den heiligen Stätten. Es wirkt auf mich wie eine gut eingeprobte Choreographie, die sich vor meinen Augen abspielt. Wenn auch in den folgenden Gottesdienstzeiten getrennt, so begegnet man sich hier beim Gang durch das Kirchgebäude, geht mir durch den Kopf. So verbindet der Raum und die gemeinsame Nutzung dann doch.
Während der armenische Gottesdienst in der armenischen Kapelle auf einer Empore und der römisch-katholische in der franziskanischen Kapelle mit Gesängen und Lesungen kurz nach Mitternacht enden, führen die griechisch-orthodoxen Priester ihren Gottesdienst im Heiligen Grab und im Katholicum, dem griechisch-orthodoxen Gebetsraum, bis um drei Uhr weiter. In den ersten Stunden lausche ich noch interessiert - mal in der Golgathakapelle sitzend, mal einen der vielen Gedenkorte wie den Salbungsstein Jesu, der Adamskapelle oder der Kreuzauffindungskapelle aufsuchend - den Gesängen und den Lesungen, die das ganze Kirchenschiff durchdringen, irgendwann wünsche ich mir aber dann doch die erlebte Stille wieder zurück, die mir vor Mitternacht so wertvoll wurde. Nur kurz zwischen dem griechisch-orthodoxen Gottesdienst und dem armenischen Gottesdienst am Grab, der um 3.30 Uhr beginnt, habe ich noch einmal einige wenige Minuten Zeit, vor dem Grabstein Jesu in der Grabeskapelle kniend für mich zu beten. Ich lege kein Tuch auf, um dieses mit der besonderen Energie dieses Ortes zu füllen, wie es manche Pilger tun. Ich kann das schon irgendwie nachvollziehen, weil man dadurch ja auch etwas vom Ort mitnehmen kann, wie ich meine Fotos mitnehmen werde, aber es ist nicht mein Zugang zum Glauben. Es entzündet sich auch kein Licht vor mir aus dem Nichts. Es geht mir aber ein Licht auf, dass es solche Momente der Stille und des Abgeschiedenseins viel zu wenig in meinem Leben gibt, obwohl sie mir doch so viel Kraft geben können.
Tageslicht fällt in die Rotunde (bei früheren Besuch)
Es ist in dieser Nacht nicht das erste Mal, dass ich die Grabeskirche besuche. Ich war öfter für kurze oder längere Zeit dort, aber diese Nacht ist anders. Sie ist unmittelbar. Direkt. So wie Glaube, Gespräch mit Gott und Spiritualität immer nur persönlich und direkt sein können und nicht stellvertretend von anderen für den Gläubigen.

Der jüdische Philosoph Martin Buber hat einmal gesagt, „Jede Religion ist ein Haus der nach Gott verlangenden Menschenseele, ein Haus mit Fenstern und ohne Tor; ich brauche nur ein Fenster aufzumachen, und Gottes Licht dringt ein.“ Das Grab und die Grabeskirche werden mir in dieser Nacht zum offenen Fenster, das ich geöffnet habe, indem ich mir Zeit dafür genommen habe und mich darauf einlassen habe. Unter einem Dach leben die Christen der verschiedenen Konfessionsfamilien. Jeder für sich und doch vereint in der unbegreiflichen Erfahrung, die dem Gläubigen und dem Suchenden geschenkt wird.

"Hier ist gut sein" ist die Erfahrung des Petrus auf dem Berg der Verklärung. Dort wollte er drei Hütten für Jesus und die in der Offenbarung erscheinenden Moses und Elia bauen. Jesus lehnte das ab. Berge der Verklärung und Heilige Orte mit den verbundenen Erlebnissen haben ihren Sinn, aber irgendwann heißt es dann doch vom Berg wieder ins Alltagsleben hinab zu steigen.
So ist dann auch kurz vor fünf Uhr morgens für mich Zeit, durch die schon längst geöffneten jahrhundertealten Kirchentüren der Grabeskirche wieder hinaus in das Morgengrauen und in den neuen Tag zu gehen. Nicht ohne eindrückliche Erfahrungen und mit Freude an der erlebten Gastfreundschaft, aber unter uns: Es wurde dann doch in den nicht beheizten Kirchräumen auch zunehmend etwas kalt.
BCU, 28. März 2019



Graphiken entnommen vom Wikipediaartikel Grabeskirche:

Querriss von commons.wikimedia.org/wiki/File:Golgotha_cross-section.svg" title="File:Golgotha cross-section.svg">Golgotha_cross-section.svg</a>: <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/User:Yupi666" class="extiw" 

Grundriss: Church of the Holy Sepulchre, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Anastasia_Rotonda_sketch_1.svg



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